Leseprobe

Diese Leseprobe ist nur vorläufig und kann sich nach der Endkorrektur noch leicht abändern.

Kapitel 1

„Ganz ruhig, Cara. Es ist doch nur für ein Referat. Du sollst ihn nicht heiraten“, beruhigte Lena ihre Freundin mit einem sanften Lächlen.
„Hör bloß auf, der Gedanken reicht schon und mir wird schlecht. Was hat der Lehrer nur gegen uns, dass wir mit diesem Typ zusammenarbeiten müssen?“
„Also so schlimm finde ich ihn...“
Ein Junge kam zu den beiden an den Tisch.
„Du hast deinen Atlas vergessen“, wies Cara ihn patzig auf das fehlende Buch hin, bevor er eine Chance hatte sich zu setzen.
Seine blauen Augen blitzen sie an, als er aufstand, um das fehlende Buch aus seinem Schließfach zu holen. Kaum hatte er den Mädchen den Rücken zugedreht schnitt Cara eine Grimmasse voller Ablehnung.
„Meinst du nicht, dass das überflüssig war? Wir haben sowieso kaum Platz und er hätte ... “, begann Lena.
„Vergiss es“, gab Cara hartherzig zurück.
„Können wir jetzt anfangen oder fehlt mir noch etwas, um in deiner tollen Gruppe mitzuarbeiten?“, fragte der Junge und knallte den Atlas schwungvoll auf den Tisch, sodass einige Zettel durch den Luftstoß von ihrem Platz gefegt wurden.
Lena konnte ihrer Freundin ansehen, dass sie kurz vor dem Platzen stand und ihm am liebsten den Hals umdrehen wollte. „Nein, Matt, jetzt haben wir alles beisammen. Lasst uns die Aufgaben aufteilen“, antwortete Lena, ehe Cara das Wort ergreifen konnte.
Sie überflog noch einmal das Thema und wandte sich dann an ihre Mitstreiter. „Gut … was haltet ihr davon, wenn Matt sich um die geografischen Gegebenheiten kümmert und Cara wirft mal einen Blick auf die Landwirtschaft? Ich würde mich in der Zeit mit den politischen Problemen befassen. Hat jemand Einwände?“
Das Mädchen schaute in die Runde. Matt und Cara schüttelten den Kopf.
Erleichtert atmete Lena durch. Wenigstens sind sie sich da einig, dachte sie und begann sich durch die Texte zu kämpfen. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte sie, wie Matt versuchte sein längeres schwarzes Haar hinter die Ohren zu stecken. Vergebens, es fiel ihm immer wieder in die Stirn. Er sollte es so hängen lassen, dann sieht er wirklich süß aus, fand Lena und versuchte diesen Gedanken sofort wieder abzuschütteln. Matt war nicht gerade das, was man einen Unschuldsengel nennen konnte. Seine alte Schule hatte ihn nach mehreren Schlägereien rausgeworfen. Wie Cara lehnte es auch der Rest seiner jetzigen Klasse ab, dass er überhaupt bei ihnen war und es wäre sicher auf allgemeine Zustimmung gestoßen, wenn er sie bald wieder verließe.
Matt zog die Ärmel seines Sweatshirts hoch. Seine Unterarme waren übersät von blauen Flecken. Erschrocken von diesem Anblick musterte Lena den Jungen noch etwas genauer. Seine Ellenbogen waren auf beiden Seiten mit einer dicken Schorfschicht überzogen.
„Gibt es einen Grund, warum du mich so anstarrst?“, holte Matts Stimme das Mädchen aus ihren Gedanken.
Cara schaute auf. Ein wütendes Funkeln lag in ihren Augen. Lena legte die Hand auf das Bein ihrer Freundin, um sie von einem brutalen Konter abzuhalten.
„Ich habe mich gefragt, was mit deinen Armen passiert ist“, fragte das Mädchen wahrheitsgemäß. Sie war sich sicher, dass der Rest seines Körpers nicht besser aussah als seine Arme. Sie hatte Mitleid, auch wenn sie davon ausging, dass er zu einem Teil selbst daran schuld war.
„Das geht dich nichts an“, zischte Matt.
„O. k. du musst nichts sagen.“
„Oh, vielen Dank für deine Großzügigkeit, Weltverbesserin.“
Lena zog eine Augenbraue hoch. „Weltverbesserin?“, wiederholte sie irritiert.
Lässig lehnte sich Matt zurück. „Richtig verstanden. Du gehst auf jeden zu und versuchst einen auf Freund zu machen. Jeden Streit willst du schlichten.“
„Das hat doch nichts mit Weltverbesserung zu tun. Das nennt man Freundlichkeit.“
Matt machte eine abfällige Geste. „Damit kommst du aber nicht weiter.“
„Und du glaubst dein Weg ist besser?“
„Lena, lass dich doch nicht auf eine Diskussion mit dem Typen ein. Der nimmt dich sowieso nicht ernst.“
Der Junge grinste. „Der Pilzkopf hat recht. Hör besser auf sie.“
Zornig zerknüllte Cara den Zettel, auf dem sie geschrieben hatte. „Wie hast du mich gerade genannt? Pilzkopf?!“, fauchte sie.
Matt nickte. „Du hast doch einen auf dem Kopf“, erwiderte er und zeigte auf Caras braune Haare, die sie im Pagenschnitt trug.
Durch die lauten Worte des Mädchens war der Lehrer auf die Gruppe aufmerksam geworden. „Gibt es ein Problem?“, wollte er wissen.
„Nein, alles o. k. Wir hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit, aber die ist schon geklärt“, sagte Lena und rang sich ein zuckersüßes Lächeln ab.
Der Lehrer gab sich damit zufrieden.
„Ich sag es doch. Weltverbesserin“, murmelte Matt.
Lena ging nicht darauf ein und bemühte sich während des Restes der Stunde den Jungen nicht mehr direkt anzuschauen. Sie beobachtete ihn lieber in der Spiegelung der Fensterscheibe.  



Kapitel 2

„Lena! Wo spielst du denn ständig hin?“, rief Cara von der anderen Spielfeldseite des Tennisplatzes und fing geschickt den Ball auf, der von der Decke abgeprallt war.
Lena ließ die Schultern hängen und seufzte.
„Hey, was ist los? Bedrückt dich was?”
„Nein ...“ Lenas Wangen fingen an zu glühen. Ihre Gedanken kreisten seit Stunden nur noch um Matt.
Cara machte große Augen. Verschwörerisch legte sie ihren Arm um das Mädchen. „Ich verstehe. Du bist verliebt“, flötete sie ihrer Freundin ins Ohr.
„Was? Wie kommst du denn darauf? Das ist doch Unsinn.“
„Lena, du bist rot wie eine Tomate. Komm, wir machen für heute Schluss und ich lade dich auf ein Eis ein. Dann erzählst du mir vor dem Typ, der dich so aus der Bahn wirft.
„Ja, o. k. ...“ Sie gibt ja doch keine Ruhe, ehe sie alles weiß.
In der Umkleide packte Cara fröhlich pfeifend ihre Tasche. Aber lange, so fürchtete Lena, würde die gute Laune ihrer Freundin nicht anhalten. Das Mädchen öffnete ihren Zopf und kämmte die hüftlangen, mittelblonden Haare. Dabei beobachtete sie Cara im Spiegel. Diese grinste wie ein Honigkuchenpferd in der Vorfreude auf das, was Lena ihr nun gleich erzählen würde.
Auch wenn es ihr nicht gefallen wird, hoffe ich, dass sie zumindest ein bisschen Verständnis zeigt.

„So und jetzt raus mit der Sprache“, forderte Cara aufgeregt.
Ohne eine Antwort zu geben, stocherte Lena weiter in ihrem Eis, das langsam vor sich hinschmolz.
„Nun mach schon. Spann mich nicht noch länger auf die Folter. Ich platze fast vor Neugierde!“ Hibbelig spielte Cara mit ihrem Löffel herum.
„Überleg dir gut, ob du es wirklich hören möchtest.“
„Na klar will ich! Du kennst mich doch.“
Lena seufzte. Und wie ich dich kenne. Deswegen halte ich es auch für keine gute Idee, dir das zu sagen. Das Mädchen sah in die drängenden Augen ihrer Freundin. Nein, Cara würde sich nicht davon abhalten lassen weiter zu bohren.
„Ich glaube, ich bin verliebt“, gab Lena schließlich flüsternd zu.
„Ich wusste es!“, rief Cara freudig und lenkte die Aufmerksamkeit sämtlicher Gäste in der Eisdiele auf die beiden. „Und wer ist es? Tobias? Der süße Typ aus der 10a? Ja, der muss es sein. Es kann keinen anderen geben. Auf den fliegen alle.“
„Nein, er ist es nicht und auch kein anderer Junge, den du vielleicht im Kopf hast“, widersprach Lena.
Nachdenklich rieb sich Cara das Kinn. „Kenne ich ihn überhaupt? Gibt ja genug die sich über das Internet kennenlernen.“
Lena schaute auf den Tisch und rührte wieder in ihrem Eis herum. „Doch du kennst ihn.“
„Dann sag doch endlich, wer es ist.“
Ich habe ja doch keine andere Wahl. Irgendwann findet sie es auch allein heraus. Lena atmete tief durch. „Es ist Matt.“
Caras Augen weiteten sich. Sie starrte ihre Freundin an als würden ihr gerade Fühler aus dem Kopf wachsen. „Das kannst du doch nicht ernst meinen!“
„Doch.“
„Lena!“ Cara schlug ihren Löffel auf den Tisch. Dann beugte sie sich zu ihrer Freundin rüber. „Du hast doch heute gesehen, wie er ist. Wenn ihm etwas nicht passt, reagiert er total aggressiv. Der Typ ist von seiner letzten Schule geflogen und hat sich auch bei uns schon geprügelt. Wie kannst du dich in so einen verlieben?“, flüsterte Cara um nicht noch weitere Blicke auf sich zu ziehen.
„Ich kann mir das auch nicht erklären. Vom Verstand her ist es auch völlig verrückt. Aber als ich ihn heute beobachtet habe ... Ich meine, hast du die ganzen blauen Flecken nicht gesehen?“
„Ach, daher weht der Wind“, unterbrach sie Cara erleichtert und lehnte sich zurück. „Du hast einfach nur Mitleid mit ihm, auch wenn er das gar nicht verdient hat. In ein paar Tagen hast du ihn vergessen.“
„Nein, ich glaube nicht. Ich fand ihn schon interessant, als er in unsere Klasse kam. Er wirkt vom Körperbau her gar nicht wie ein Schläger. Seine Augen … dieses Blau und das bei seinen dunklen Haaren. Du weißt, dass ich das mag.“
„Also wenn es dir um das Aussehen geht, dann finden wir sicher einen, der einen besseren Charakter hat.“
„Cara, es muss einen Grund geben, warum er so ist und wenn ich den herausfinde, dann kann er sich bestimmt ändern. Man muss das Übel nur an der Wurzel packen und …“
Cara schüttelte den Kopf. „Hör mir mal gut zu. Meine Mutter hat als Polizistin jeden Tag mit solchen Kerlen zu tun und du kannst mir glauben, sie trifft immer wieder auf die Gleichen. Da helfen nicht mal ein paar Wochen Knast. Die werden rückfällig. Weil sie sich gar nicht ändern wollen. Bitte, Lena, tue dir das nicht an.“
„Du schreibst ihn ab, bevor du ihn kennst. Genau wie alle anderen. Niemand schlägt sich ohne Grund.“
„Tut mir leid, aber du bist naiv.“
„Das heißt also, dass wir diesmal nicht auf einer Seite stehen?“, fragte Lena. Mehr rhetorisch. Die Antwort kannte sie schon.
„Wenn du mit ihm zusammen sein willst, dann erwarte keine Unterstützung von mir. Entscheide dich. Er oder ich. Mit solchen Typen will ich nichts zu tun haben.“
Enttäuscht über die Worte ihrer Freundin stand Lena auf. „Ich habe verstanden. Danke für das Eis, wir sehen uns.“ Mit gesenktem Kopf verließ sie die Eisdiele. Ich habe doch gewusst, dass es so kommt.
„Lena! Bitte wirf unsere Freundschaft nicht für so einen weg. Er nimmt dich doch gar nicht ernst“, rief Cara ihr nach, aber Lena drehte sich nicht um.